Polarisierend

Das leuchtet mir ein: Gut lässt sich nicht ohne Böse definieren. Ohne das Böse würden wir wohl im Paradies leben.

Könnte sich der Mensch im Paradies weiterentwickeln, wenn er sich im Betrachten der verführerischen Äpfel übt und sie nicht anrührt? Er lernt Standhaftigkeit und übt Widerstandsfähigkeit. Das schon. Aber wofür? Die Neugier hat gesiegt. Und der Mensch macht sich von nun an auf seinen eigenen Weg. Damit beginnt der Absturz in die Polarität von Gut und Böse.

Wirklich ein Absturz? Ich finde eher nicht. Es ist der holprige, teilweise qualvolle, aufregende Weg in die Freiheit. In meine ganz individuelle Freiheit.

Die Neugier als Quelle aller Entwicklung. Ist die Schlange, die verführt hat, wirklich böse? Ich finde, sie ist die ultimative Herausforderung, neue Wege zu gehen, zu forschen, zu ergründen – ja auch zu Scheitern und Scheitern zu üben. Da liegt die Chance zu wachsen und zu reifen.

Der Gedankenweg gefällt mir.

Ich denke schon lange über das Thema Jung und Alt nach. Anfang und Ende – auch eine Polarität… Die Jungen, die die Alten herausfordern und die Alten die Jungen? Um immer weiter zu wachsen und auf beiden Seiten nicht stehen zu bleiben, glaube ich sollte es genauso sein. Herausfordernd, bereichernd vom ersten bis zum letzten Tag. Ich habe den Eindruck, dass unsere derzeitige Gesellschaft anders gestrickt ist. Sie betont die Polarität.

Für mich geht es nicht ums Siegen, sondern ums besser Werden.

Bei einem vermeintlichen Sieg übers Alter oder möglicherweise auch über jüngere Menschen, da verliere ich meine Authenzität. Ich bin so alt wie ich bin. Jedes neue Lebensjahr bringt Neues hervor, neue Chancen. Schönheit ist relativ und Faltengebirge haben auch ihre Reize. Wenn ich das stets neu entdecke, dann geht es mir gut. Die Endlichkeit ist für mich kein Gespenst.

Ich schaue gern mit jungen Menschen die Veränderungen in der Welt an. Diese Welt, die so anders geworden ist, als sie noch vor 50 Jahren war. Ich integriere auch gern Vieles davon in mein Leben und erlebe Bereicherung. Schade nur, dass das ewig Bleibende, das, was im Inneren an Reichtum gewonnen wird und Zeit zum Reifen braucht, kaum gefragt ist. Zu wenig von der Gesellschaft, kaum von denen, die noch in anderen Lebensphären leben. Man kann es Erfahrung nennen, oder besser Lebensessenz.

Wenn das Gegensätzliche von Alt und Jung aus der Polarität herausgenommen würde, dann könnte daraus ein bereicherndes Lebensgewebe werden. Ein Gewebe, das das Menschwerden aller immer mehr beschleunigt.

Polares nicht als Spaltung, sondern als ständige Herausforderung Eins zu werden. Das nicht mehr bekämpfte Böse verliert seine Negativkraft. Das Gute würde seinen, sowieso kaum erreichbaren, Glorienschein verlieren. Das Alter gewinnt an Strahlkraft und Schönheit, der Sturm und Drang der Jugend würde darin eine stärkende, fördernde Hülle finden.

Dazu braucht es keinen Guru mehr, keinen indischen Yogi oder weisheitsvollen Priester. Wir haben alle das Potential, wir müssen es nur leben. Nicht gegeneinander, sondern miteinander. Die Drei dürfen natürlich ab und zu mal Nachhilfeunterricht geben.

PS: Das war’s mal wieder. Eine meiner idealistischen Attitüden. Ich steh‘ dazu und lasse mich gern belächeln.

Blüten und Schnee, polar und doch nicht, die Natur zeigt uns ständig, wie aus dem Polaren ein Gewebe entsteht – voller Kraft und Schönheit

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