Heute zeigt sich der Sommer endlich mal wieder von seiner milderen Seite: Nicht mehr als 24 Grad, ein sanfter Wind, nicht zu viel Sonne. So könnte mein Ganzjahreswunschwetter aussehen. Die Faulheit wird nun von ihrem ständigen Platz in den Startlöchern geschubst. Ich muss mich nicht mehr permanent vor mir selbst entschuldigen, weil ich mich zu nichts so richtig auf raffen kann. So sieht der Luxus, des Fast-Nichts-Mehr-Müssens aus.
Nun aber gewinnt das Leben wieder etwas Struktur. Das tut ziemlich gut.
Trotzdem und ehrlich, faul sein ist auch nicht zu verachten. Ich lausche dem Rauschen der Bäume vor dem Fenster, gerade fängt der Chor dort unten wieder zu proben an. Corona-Erbe. Das entzückt nicht nur mich, auch der noch Dreijährige hat schon strahlend zugehört. Ihn machen allerdings auch die Tatütatas zwischendurch glücklich. Die Feuerwache befindet sich in der Nähe…
Und: Wieder atmen können, weil sich der Heuschnupfen langsam verabschiedet, weil die Mäuse-WG vorerst beendet scheint.
Ein nette WG ist übrigens auf meinem Balkon gewachsen. Der erinnert inzwischen an einen Bauerngarten mit mediterranen Einschlag. Eng umschlungen haben Malvenstrauch und Glyzinie sich eingerichtet. Die Kräuter duften. Die Enkelmäuse haben Spaß am Düfteraten. Zwischendurch fliegen auch bunte Blasen ins Land.
Was/wer gern bei mir ist, darf bleiben. Die Edelrosen sollen woanders glücklich werden.
Das Plänemachen meldet sich wieder ein wenig zu Wort. Ich denke ganz gern an Überüberübermorgen und hole mir daraus die Kraft für Morgen. Aber eben erst überüber……..
Warum eigentlich das schlechte Gewissen beim trägen Faulenzen? Ich hatte schon mal beschlossen, es in Lenzen umzutaufen. Genau genommen ist ewiges Tun auch eine Variante von faulsein. Ich muß mich dann nicht mir selber stellen. Geschäftigkeit ist auch eine schöne Ausrede.
Na gut, „Das rechte Maß“ hatte ich Vorgestern beim Wickel.
Die Tugend davor, das ist die Treue, die vierte der Zwölf. Bin ich mir immer selber treu und lasse mich nicht von meinem Pfad abbringen? Das wäre die erste Frage dazu. Was verführt mich, lockt mich vom Weg? Ein bißchen schon die Faulheit und Trägheit. Ansonsten muß ich da mal weiter nachdenken. Die Treue halten zu den Menschen, die mich umgeben, überhaupt zu allem, was mich begleitet – oft schon ein Leben lang, irgendwie tue ich es schon. In Zeiten der Stille, wie jetzt, drängen sich häufiger die Menschen vor, die schon in einer anderen Welt weilen. Erinnerungen schubsen mich bei allen möglichen kleinen Anlässen an. Sie machen mich oft ein wenig traurig.
Im besten Fall beginnt ein Gespräch mit ihnen, eines der anderen Art. Manchmal auch ein Streitgespräch wie einst. Das tut gut. Ich finde Streiten produktiv. Mit H. ging es oft um Gemeinschaft, meine Skepsis diesbezüglich kontra seiner Leidenschaft dafür. Er hat es immer wieder versucht im Großen und im Kleinen, ich war und bin überzeugt, dass Gemeinschaft bei gnadenloser Arbeit an sich selbst beginnt. Inzwischen glaube ich schon, dass beides gleichzeitig immer wieder geübt und probiert werden muss. Wohlbebemerkt geübt, ohne absehbare Erfolgsaussichten. Wenn sich zwei so begegnen ist das so was wie eine WG.
Da fällt mir ein, die liebe U. hat mich zu Großfamilienzeiten oft, mit breit gezogenen Mundwinkeln, zur WG-Chefin „ernannt“. Macht sie auch heute noch gern, wenn sie mich Bekannten vorstellt.
Und jetzt gewittert es draußen – endlich. Nur leider ist nun auch der Chor verstummt. Ein schöner Sommerabend, dem ich gern treu bleibe.

Heute