Corona-Szenario nun fast seit einem Dreivierteljahr:
Täglich werden wir mit neuen Zahlenkolonnen überschüttet.
Die einen demonstrieren dagegen – und womit argumentieren sie?
Mit Zahlen. Und oft genug mit wüsten Argumenten in Form und Inhalt.
Menschlich ist das alles nicht. Nicht das Erstarren vor den Zahlen, nicht die Zahlen als Waffe in einem Kampf. Wofür oder wogegen eigentlich der Kampf? Das frage ich mich immer häufiger. Das alles ist für mich nicht menschenwürdig. Auch nicht die kriegerische Argumentation, inclusive physischer Gewalt. Dass auch der Polizei inzwischen öfter mal nichts Besseres einfällt, das kann ich sogar ein gut Stück nachvollziehen. Die Aggression nimmt zu.
Menschlichkeit statt Zahlen, wäre gut. Doch wie? Möglicherweise brauchen die Zahlen einige warme Worte mehr, die sie unterfüttern. Das wäre das Simpelste. Und dann weiterdenken. Gemeinsam laut, ich meine sprechend, nach guten Lösungen suchen und gleichzeitig Zukunftsideen für die Zeit danach entwickeln. Nicht irgendwann. Jetzt. Eine Agenda, die festhält, was das Land, die Menschen, die Welt dringend brauchen, um gut weiter leben zu können wie in den letzten 70 Jahren oder möglicherweise besser. Ohne Konsumwahn, ohne das die Wirtschaft bestimmende „Immer mehr“. Das wäre doch dran. So denkend kommen Klima und Umwelt fast von selbst in eine uns würdige und uns schützende Position.
Wem nützt das Gerangel um Macht, ums Besserwissen? Vielleicht einzelnen… Keiner weiß, was richtig ist und was kommen soll. Also brauchen wir konstruktive gute Ideen. Letztere verursachen eher keinen Schaden, aber potentiell Optismus und daraus die Kraft Gutes zu tun für dieses Welt. Das wäre für mich das Bessere, als laut zu schreien und Ängste zu pflegen.
Manchmal macht mir ein Gedicht die Welt wieder lichter und weiter. Heute Morgen geisterte in meinem Kopf Ingeborg Bachmanns Poem „An die Sonne“. Zum Beispiel…
» Schöner als der beachtliche Mond und sein geadeltes Licht,
Schöner als die Sterne, die berühmten Orden der Nacht,
Viel schöner als der feurige Auftritt eines Kometen
Und zu weit Schönrem berufen als jedes andre Gestirn,
Weil dein und mein Leben jeden Tag an ihr hängt, ist die Sonne.
Schöne Sonne, die aufgeht, ihr Werk nicht vergessen hat
und beendet, am schönsten im Sommer, wenn ein Tag
An den Küsten verdampft und ohne Kraft gespiegelt die Segel
Über dein Aug ziehn, bis du müde wirst und das letzte verkürzt.
Ohne die Sonne nimmt auch die Kunst wieder den Schleier,
Du erscheinst mir nicht mehr, und die See und der Sand,
Von Schatten gepeitscht, fliehen unter mein Lid.
Schönes Licht, das uns warm hält, bewahrt und wunderbar sorgt,
Daß ich wieder sehe und daß ich dich wiederseh!
Nichts Schönres unter der Sonne als unter der Sonne zu sein …
Nichts Schönres als den Stab im Wasser zu sehn und den Vogel oben,
Der seinen Flug überlegt, und unten die Fische im Schwarm,
Gefärbt, geformt, in die Welt gekommen mit einer Sendung von Licht,
Und den Umkreis zu sehn, das Geviert eines Felds, das Tausendeck meines Lands
Und das Kleid, das du angetan hast! Und dein Kleid, glockig und blau!
Schönes Blau, in dem die Pfauen spazieren und sich verneigen,
Blau der Fernen, der Zonen des Glücks mit den Wettern für mein Gefühl,
Blauer Zufall am Horizont! Und meine begeisterten Augen
Weiten sich wieder und blinken und brennen sich wund.
Schöne Sonne, der vom Staub noch die größte Bewundrung gebührt,
Drum werde ich nicht wegen dem Mond und den Sternen und nicht,
Weil die Nacht mit Kometen prahlt und in mir einen Narren sucht,
Sondern deinetwegen und bald endlos und wie um nichts sonst
Klage führen über den unabwendbaren Verlust meiner Augen. «
