Titelhelden aus der Ritterzeit

Das war Gestern spannender als ein Krimi. Aber, ich hätte den Titel gern durch Zwei geteilt. Dieses Elfmeter-Schießen – nach 110 Minuten völliger Verausgabung bei einem kräftezehrenden Spiel – war doch ein Glückspoker. Beide Mannschaften haben mich mit einem richtig guten Endspiel verwöhnt. Italien und nicht England – ich hätte es beiden gegönnt. Warum sind Siege so wichtig? Und was fasziniert mich eigentlich am Fußball? Wo ich doch Spiele bevorzuge, bei denen es nicht ums Gewinnen geht.

Als das Wembley-Stadion am Ende brodelte, da meinte der Reporter: Das ist es doch, diese Emotionen, die die Faszination des Fußballs ausmachen.

Für mich nicht. „Brot und Spiele“ fürs Volk, das gab es seit jeher. Ventile sozusagen.

Ich schaue sehr selten Fußballspiele, WM, EM – meist nur die eigene Mannschaft und eben dann auch mal ein Endspiel. Wenn’s guter Fußball ist und nicht verkrampft und holzig gespielt wird. Das finde ich dann auch ästhetisch schön. Der Kampf mit fairen Mitteln. Die gestählten Kämpfer, denen man ihr hartes Training ansieht. Solche athletische Figuren kommen nicht ungefähr. Wie sehr der Nationalstolz im Stadion ins Spiel kommt, auch das ist für mich okay. Wenns nicht in Chauvinismus ausartet…

Mir kommen aber beim Zusehen immer andere Gedanken: Ein Glück, dass kein Krieg auf dem berühmten Rasen geführt wird. Heute gibt es auch diese spielerische Möglichkeit, die eigenen Helden zu küren. Toll! Die neuen Helden rackern sich ab fürs Vaterland, sie müssen keinen Heldentod mehr sterben, jedenfalls nicht hier und jetzt. Wie gut, sollen sie doch auch ihre Denkmäler bekommen und ihren gerechten Lohn.

Als am Anfang, der Europa-Pokal ins Stadion getragen wird, muss ich an Gralsbilder denken. Der Heilige Gral. Er ist schon sichtbar, aber für keinen auf dem Spielfeld schon fassbar. Er muss erst verdient werden. Durch Leiden, Erkennen und Begreifen. Am Ende steht er wieder da: Leuchtend und wird von den Spielern geküsst. Der Gral das Symbol der Menschen-Liebe.

Parsifal erringt ihn, indem er nach langen Mühen, die richtige, die erlösende Frage stellen kann. „Was wirret dir Oheim?“, also, woran leidest du.

Bin ich jetzt noch beim Fußball oder bei den legendären Helden des frühen Mittelalters? In ihren Mythen ging es nicht vordergründig ums Siegen und um Stärke, sondern um Gerechtigkeit, darum dem Guten zu dienen. Kniefälle vor den Spielen, Regenbogenfahnen, die Umarmung des Gegners…da bekommt mein Bild-Erleben Nahrung. Nationen, die im friedlichen Spiel ihre Kräfte messen, so dass es sich gut zuschauen lässt.

Vielleicht könnte das Massenphänomen Fußball noch viel mehr für eine friedlichere Welt tun… Ein Glück, dass diese schon immer vorhandenen gewaltigen Energien im Stadion, sich in einem friedlichen Strom ausleben können. Und den „Gral-Pokal“ gibt es ja schon.

Fußball mal anders gedacht. Sind das die Heldenmythen des 21. Jahrhunderts?

Warum nicht!

Links: Der Gral wird präsentiert von Repanse de Schoye Rechts: Eder, ein derzeit arbeitsloser Fußballstar, bringt zum EM-Endspiel 2021 schreitend den Pokal ins Stadion

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