Randbemerkungen 6

Ich verspreche, egal was passiert, das ist die letzte Eichhörnchenstory.

Nach meinem Kuschelabenteuer mit dem Eichhörnchen-Nachwuchs ging ich, Balkontür vorsichtshalber weit aufgerissen, ins Nebenzimmer. Ich schloß vorsorglich die Zimmertür hinter mir. Ein Hörnchen konnte ich weder entdecken, noch hören – aber so ganz sicher war ich mir nicht.

Es dauerte nicht lange, und es fing an, an meiner Tür zu kratzen. Unglaublich! Das konnte doch nicht sein, aber wahrscheinlich war es wieder das Eichhörnchen. Es war…hartnäckig kratzend.

Was tun??? Hilfe!!! Hätte ich die Tür geöffnet wäre es wahrscheinlich in Windeseile unterm Bett untergetaucht. Schneller als mir eine Reaktion mit menschlichen Fähigkeiten je gelungen wäre. Also, ich war eingesperrt in meiner Wohnung.

In Corona-Zeiten ist zwar unerwartete Gesellschaft ganz nett. Trotzdem schaue ich mir diese Fellbabys lieber mit gewisser Distanz an. Eine Telefonkonsultation bestätigt mir die einzige brauchbare Idee: Die liebe Nachbarin anrufen, trotz Feiertag, trotz fortgeschrittener Abendstunde.

Mit Handtuch, Eimer, Handschuhen und Nüssen bewaffnet wird sie dann beim Aufschließen der Wohnungstür von dem vergnügten Kleinkind-Tier begrüßt, das dann doch wieder vorsichtshalber ins Nebenzimmer flüchtet.

Dann beginnt eine sageundschreibe einstündige Aktion, um es wieder hervor zu locken. Irgendwann siegt der Hunger. Das Foto, auf dem es auf meiner Sofalehne entspannt Walnuß knappert, das konnte ich nicht machen. Da jede Bewegung unsererseits gefährlich war. Dann wurde ihm die neugewonnene Zutraulichkeit zum Verhängnis. Mutig griff Frau Nachbarin mit dem Handtuch zu. Es entsprang – auf den Balkon. Dieses Mal waren wir schneller und konnten rechtzeitig die Tür schließen.

Zwei Tage später lag ein totes Eichhörnchenkind im Vorgarten.

Noch einmal zwei Tage später gelang mir untenstehendes Foto auf dem Balkon. War das jetzt meins oder ein Geschwisterkind?

Wenigstens das: Die Sippe überlebt.

Allerdings: Ich kann gern auf diese Art Abenteuer verzichten.

Ihm geh’ts gut

Das war leichtsinnig

Keine Randbemerkung. Ich sollte den Bärenfänger nicht beschwören, indem ich ohne Notwendigkeit seine Mission würdige – wie gestern geschehen.

Ich bin gerade noch in der Erholungsphase. Der Schreck sitzt mir im ganzen Körper.

Die Situation: Ein halbes Stündchen Mittagspause auf dem Sofa mit Buch und Telefon. Ich höre ein Geräusch, nein, wie Maus klingt es eigentlich nicht. Ich lausche: War es mein Bauch? Kann sein. Ich lese weiter…

Pause beendet. Ich bringe die Kissen wieder in eine ansehenswerte Form und schaue, einer Eingebung folgend, noch mal kurz dahinter. Was da liegt ist ein kleines braunes Fellbündel. Es springt erst auf, als ich großstadtkindgemäß kreische. Ich habe auf einem Eichhörnchen gelegen. Die ganze Zeit. Meine Ohren und meine mäusegeplagte Phantasie haben mich nicht betrogen.

Zumindest weiß ich jetzt sicher, dass meine Ohren noch nicht die Schlechtesten sind und das Hörgerät noch warten darf.

Ich habe die Balkontür aufgerissen. Und da es nicht flüchtete, bin ich mit hinter mir verschlossen Türen in die Nebengemächer geflüchtet. Ich hoffe, mein Schrei hat es so erschreckt, dass es doch wieder ins vertraute Nest geklettert ist.

Aber sicher bin ich mir nicht. Draußen regnet’s, stürmt’s und donnert’s. Dieses kleine Eichhörnchen hat sich offenbar sehr wohlgefühlt und meine mütterliche Wärme genossen. Mein Gefühl ist, dass ich kurz am Herzinfarkt vorbei bin. Was tut man nicht alles für Eichhörnchenkinder.

Ein Balkongast im Winter

Randbemerkungen 5

Ein verwirrend schöner Sommertag mitten im Frühling bei 30 Grad. Ich bin mit der Enkeltochter an der Havel. In unserer Lieblings-Badebucht. Wir haben sie wieder und sie gehört doch tatsächlich uns allein für einen ganzen Tag. Es wurde noch verwirrender: Ich schaue irritiert aufs Wasser: Schwimmt da – so anderthalb Meter entfernt – ein großes Stück Holz (was immer mal vorkommt)? Aber, irgendetwas ist anders. Ich mache die Achtjährige darauf aufmerksam. Ihre spontane Reaktion: „Das ist ein Otter!“ Wirklich ein Otter? Im nächsten Moment macht das Stück Holz eine s-förmige Tauchbewegung.

Ich kann es dem Kind nicht glauben. Könnte es nicht auch ein Biber gewesen sein, denn die gibt es in dieser Gegend inzwischen doch ziemlich häufig? Ich werde aus voller Überzeugung belehrt: „Nein, die schwimmen anders und haben eine andere Farbe.“ Irgendwie scheint das Kind Recht zu haben. Wir einigen uns auf Googeln zu Hause. Denn erst mal haben wir Wichtigeres zu tun: Buddeln, Picknicken, Enten begrüßen, anbaden. Letzteres gelingt dem Kind ganz, mir nur zur Hälfte. Es wird ein wunderschöner Tag mit Strandgefühl, Kuckucks-Rufen, Segelbooten, riesigen Lastkähnen, Motorbooten von unterschiedlicher Schönheit. Auch ein paar Raser sind dabei. Die machen nicht nur die allergrößten ostseetauglichen Wellen, sondern auch elenden Lärm.

Eine Bus-Viertelstunde weiter und einige Stunden später sind wir wieder mitten in der Millionenstadt und zu Hause. „Wir wollten doch googeln“, die Otter-Kennerin hat das Ereignis nicht vergessen. Und siehe da: In der unteren Havel gibt es seit einiger Zeit wieder Fischotter. Da war wohl einer neugierig und wollte das Großstadt-Feeling erkunden. Denn dort, wo wir waren, ist es eher mittig. Eben der Berliner Bereich und nicht die Mecklenburgische Idylle.

Fischotter sei willkommen in Berlin! Hier sind offenbar nicht nur die Bären zu Hause, sondern auch die Fischlein.

Apropos Bären: Hatte ich schon mal geschrieben, dass mein professioneller Mäusefangassistent den faszinierenden Namen Bärenfänger trägt? Ganz in Echt. Hoffentlich brauche ich seine umwerfenden Dienste nie wieder. Ich gehe lieber Fischotter beobachten.

Randbemerkungen 4

Wenn ich suche, dann finde ich nicht. Nichts. Diese Logik stimmt fast immer. Bei mir. Also sollte ich dann wohl jedes Suchen, schnellst möglich stoppen. Leider passiert es dann doch immer wieder. Und die Erfahrung fällt mir erst wieder ein, wenn ich reichlich genervt bin – vom Suchen.

Also: Wenn etwas sein soll, dann findet es mich oder ich finde es. Im Finden liegt das Geheimnis und irgendeine tiefe Weisheit. Eine Weisheit, die ich bis heute noch nicht so ganz durchdrungen habe.

Mich findet was ich suche. Schön zu wissen.

Zu Fuß nach Syrakus

Das war ein Wachtraum in alten Zeiten als die Grenzen fest verschlossen und Ortsnamen wie Syrakus etwas ziemlich Märchenhaftes hatten. Schon, das Unternehmen mir mit Freunden auszumalen, hatte einen bittersüßen Geschmack. Der Dichter Johann Gottfried Seume war im Dezember 1801 im malerischen Umland des sächsischen Städchens Grimma aufgebrochen und ist tatsächlich auch in Syrakus auf Sizilien angekommen, am 1. Apri 1802. Im August 1802 war er wieder zu Hause. Dann schrieb er das Büchlein seiner Fußreise: „Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802“. Zitat Johann Gottfried Seume: „Meine meisten Schicksale lagen in den Verhältnissen meines Lebens; und der letzte Gang nach Sizilien war vielleicht der erste ganz freie Entschluß von einiger Bedeutung“.

Irgendwo ist der Traum bei mir nie ganz verloschen. Doch als er dann Wirklichkeit werden konnte, gab es erst mal jede Menge Anderes zu tun. Inzwischen setzen mir Alter und physische Kondition Grenzen. Doch finde ich es eigentlich ganz gut, wenn mit dem Älterwerden die Träume nicht ganz verloren gehen. Auch wenn sie nicht realisierbar sind. So wie ich gerade beim Schreiben lächle, fange ich an, mir die Bilder einer solchen Fußreise auszumalen. Wandern durch blühende Landschaften, kleine nette Städtchen durch Wälder, über Berge (na ja, nicht gerade mein Ding) hinein ins schöne Italien…

Doch dann machen sich Bilder von Unmengen Autos, Lkw’s, Bussen, Motorrädern breit, die sich nicht einfach so abschütteln lassen. Dazu die sportlichen Radfahrer, die sich selbst auf engsten Waldwegen austoben.

Ich bin im Jahr 2021 angekommen. Und ich bin tasächlich noch immer gern zu Fuß unterwegs. Und nicht erst seit ich kein Auto mehr vor der Haustür stehen habe. Ich gehe durch die Stadt, durch Wälder, entlang der Havel. Das Beschauliche beglückt mich am Gehen ganz ohne technische Hilfsmittel (ich mag auch kein Nordic Walking). Ich habe Zeit zum Schauen, zum Wahrnehmen, auch der kleinen unscheinbaren Dinge am Weg. Ich kann innehalten, stehenbleiben, wenn mir so ist. Aber auch bei Bedarf beschleunigen.

Der Autoverkehr ist meist gut geregelt, ihm fühle ich mich in der Regel gewachsen. Aber: Leider wird das Gehen, wie ich es mag auf Fuß- und Waldwegen, zunehmend stressig. Beständig überholen mich, oft hautnah Radfahrer. Nicht selten im atemberaubendem Tempo und technisch perfekten Slalomfahrten. Ich höre sie meist nicht, zucke zusammen, erschrecke, schaue inzwischen beim leisesten Geräusch nach hinten. Entspanntes zu Fuß gehen wird zunehmend unmöglich.

Ich habe ein paar Mal spaßeshalber versucht, auf dem Fußweg auf gerader Linie zu gehen, um mich sicherer zu fühlen. Das ist über längere Zeit extrem anstrengend , stresst und eigentlich unmöglich, ich würde meinen, dass es unnatürlich ist.

Mein Spaziergang nach Syrakus findet auch heute zwangsläufig in meiner Phantasie-Welt statt. In unserer Welt, der heutigen, würde ich einen Fußgänger-Verein gründen. Was Auto- und Radfahrern recht ist, sollte dem total umweltfreundlichen Fußgeh-Menschen billig sein. Außerdem verbraucht er nicht endlos Materialressourcen. Und wenn es so weitergeht, werden Fußgänger vielleicht bald nicht mehr die langsamsten sein. Zu Fuß nach Syrakus oder anderswohin, das wäre Entschleunigung pur und ganz und gar im Strom des heutigen Zeitgeistes.

Nachsatz: Mein Routenplaner verheißt 2327 Kilometer von zu Hause bis Syrakus, 23 Stunden mit dem Auto, 5 Tage mit Fahrrad und 16 Tage zu Fuß, die Route führt über den Brenner. Seume ist über Prag, Ljubljana, Triest spaziert…

Die langen Schatten der Fußgänger

Ironie liegt mir nicht…

…wollte ich eigentlich schreiben.

Aber so ganz stimmt das auch nicht. Doch von vorn.

Ausgelöst wurde das neuerliche Nachdenken darüber durch die „Allesstillegen“-Aktion der Schauspieler. Sie haben es ganz schön krachen lassen, am meisten unter den MItmenschen. Jetzt habe ich mal angefangen, mir etwas mehr davon anzuhören. Irgendwie ist das Kunst, was da serviert wird. Auch irgendwie witzig. Meist ironisch, auch sarkastisch. Stimmen aus dem Air, dass seit einem Jahr zwangsweise lahmgelegt wurde, aus Regionen der Kultur, der Kunst, der Kleinkunst. Zu letzterer zählen, glaube ich, Kabarettisten. In dieses Metier passen die Trailer ganz gut. Ich gehe eher selten ins Kabarett. Ich kann mich an intelligentem Wortwitz, an Zuspitzungen freuen. Manchmal sind da auch Aha-Erlebnisse, also Erkenntnisse dabei. Eher ist es für mich die Chance, richtig laut und aus voller Kehle zu lachen. Das klappt bei gekonntem Klamauk, Situationskomik…und ich glaube auch bei manchen Kabarettisten. Tendenziell solchen, die das Wohlwollen mit der Welt trotz bissiger Satire trotzdem noch vermitteln.

Im Alltag passiert lauthals Lachen sehr selten. Leider.

Aber ich gehe auch längst nicht mehr häufig ins Kabaret, eher sehr selten… Weil ?

Ich suche Antworten auf das, was mir in der Welt und auf das, was mir um mich herum begegnet. Keine fertigen Antworten, sondern Anregungen zum Weiterdenken. Da sind mir persönlich Ironie und Sarkasmus selten hilfreich. Ich möchte wissen, was Sie oder Er wirklich meinen. Ich möchte in dem Moment nicht Nachdenken, ob das jetzt 1 zu 1 gemeint war oder ironisch-sarkastisch. Wahrscheinlich habe ich an dieser Stelle eine blinde Stelle, eine Unfähigkeit, die ich nach einigen Lebensjahrzehnten nicht mehr eliminieren kann. Soweit so…na ja. Gut eben nicht.

Aber: Ich ahne langsam, was mich der „Allesdichtmachen“-Aktion nicht so zugeneigt gemacht hat. Ohne ängstlich zu sein, habe ich Angst vor denen, die da ohne Masken mal volksfesthaft, aber zunehmend agressiv in Erscheinung treten. Zunehmend leider nicht mehr nur verbal. Die verdeckte kleine Chance, das alles als Gesprächsangebot zu betrachten, verschwindet für mich durch zunehmend demonstrierte physische Gewalt und Aggression. Nein, es sind prozentual zur Gesamtbevölkerung nicht viele, aber sie sind laut. Und weil es so schwer ist derzeit, das ganze vielfältige Unbehagen auszuhalten und in Worte zu fassen, sind alle diese Demonstrationen ein befreiendes Ventil für so viele. Auch die Aktion der 50 Schauspieler, die ich respektiere, wirkt so.

Doch ich glaube, es führt in die falsche Richtung, weil es leider die stärkt, die mir wirklich Angst machen. Das sind, so sehe ich es, durchaus die, die das Potential geschaffen haben, das einst ein 1933 möglich gemacht hat. Sorry, das war drastisch.

Bitte lasst uns Antworten finden, die beweisen, dass in 2021 ein neues Potential da ist, das andere Prozesse befördert und möglich macht.

Politik ist fehlbar, wie wir alle fehlbar sind. Doch bitte übt konstruktive Kritik! Immer! Die Pandemie hat viele unserer Mankos sichtbar gemacht, die großen und die kleinen. Das wäre dann der sogenannte Krankheitsgewinn.

Es könnte ja sein, dass wir in zehn, zwanzig Jahren in einer viel friedlicheren Umwelt leben, in einer Welt, die aufatmet, weil einer an den anderen denkt. Und alles Gute seinen Platz und Raum hat.

War das jetzt Sarkasmus, Ironie oder naiver Idealismus…???

Bitte selbst entscheiden!!!

Diese Karte von Visual-Statments hatte es mir vor langer Zeit angetan. Eigentlich wollte ich sie weitergeben, doch sie wandert von einem Stapel zum anderen, nur nicht in die Ablage…

Randbemerkungen 3

Der Baum. Da steht er. Stark, unabhängig, in den Himmel wachsend. Im tiefsten Innern aber sehr sensibel und verletzbar.

Dann aber umringen ihn die Kastanie, die Birke, die Esche, die Eiche, die Espe, die Weide, die Ulme, die Akazie… Allesamt weiblichen Geschlechts: DIE. Der Ahorn tanzt aus der Reihe. Aber ansonsten, auch geografisch ein wenig weiter geschaut – die Palme -, bleibt’s beim die.

Ein „der“, das die Vielfalt und Schönheit der „die“ vereint? Schützt? Über ihnen steht? Oder was bitte…?

Die Baum klingt komisch. Doch im Plural ist das DIE auch an dieser Stelle präsent: Die Bäume.

Sprachphänomene. Und nur so eine Randbemerkung zum Beginn der Woche, die etwas mehr Sonnenschein und immer noch zu viel Kälte verheißt.

Die Platane, uralt und geheimnisvoll

Verführt, verlockt, verraten

Es ist simpler als es klingt. Die Frühlings-Sonnenstrahlen locken, verführen…endlich! Und ich bin gnadenlos verraten. Knallrote Augen, das Gehirn upside down und gleichzeitig im Narkosezustand. Die uralten Platanen vorm Fenster haben es mir sozusagen mit dem Holzhammer gegeben. Zarte Pollen mit großer und weiter Streukraft haben mich in diesen Zustand versetzt. Einem Zustand, der einem gekonnt gesetzten Knockout entspricht. Nicht schlecht. Ich spreche von Heuschnupfen, Allergie.

So heißt die bescheuerte Angelegenheit, mit der ich mich mein Leben lang auseinandersetzen muß. Kleine Chemiekeulen helfen. Das Theater wird aushaltbar. Aber wehe, ein Viertelstündchen zu spät geschluckt, beginnt der Spuk von Neuem. Und das über Wochen und Monate. Jedes Jahr. Die Wiesenblumen lösen die Platanen ab. Dann folgen bald Roggen und Co.

Ich bin bockig. Ich will mich von Frau Natura nicht ausgrenzen lassen. Denn ich liebe sie: die wunderschönen Platanen mit ihren verwunschenen Stämmen, die berückenden Blumenwiesen, die mächtigen Getreidefelder. Ich liebe ihre Schönheit, ihre rätselhafte Zauberkraft, ihre Unbezwingbarkeit. Ihre Farben.

Aber mein Immunsystem spielt verrückt, kämpft mit denen, die ich gern zu Freunden hätte. Was ist das? Fängt das Wesen des Menschen vielleicht irgendwann immer an, das zu bekämpfen, was es zu sehr liebt? Warum? Um sich zu schützen vor dem Ausgeliefertsein, das jede große Liebe mit sich bringt? Ist es ein Zwang, eigene Grenzen zeigen zu müssen? Dummerweise halten genau diese Kräfte mich selbst nieder. Und nehmen mir damit etwas Wichtiges.

Es gab für mich mal eine kurze krankheitsbedingte Pause von diesem Dilemma. Wie habe ich es genossen, auf einer Sommerwiese zu liegen!!! Es war ein unglaubliches Gefühl, eine Kostbarkeit. Ob ich es genauso intensiv erlebt hätte, ohne den sonst üblichen Zwangsentzug? Einen Zwangsentzug, den auch Medikamente nicht wirklich verhindern können.

Oder auch andersherum: Braucht der Mensch den Verzicht, um genießen und schätzen zu können, um dankbar zu sein für das, was ihm geschenkt wird.

Ich wollte mal die aktuelle Situation einfach nicht beachten, aber irgendwie passt es nun doch gerade wieder. Ich glaube unser Dasein hat klare geometrische Formen und Linien – doch drunter und drüber liegt das Chaos, menschengemacht…menschengerecht?

Platanen, uralt und geheimnisvoll

Nachtrag zu „Unpolitisch“

Beim Gehen lässt es sich gut NACHdenken. Ich stolpere über meinen Satz von jüngst, dass auch das Wort Demokratie zur Worthülse, zum Skelett verkommen ist. Und muss feststellen: Nein, ganz so ist es nicht. Beim Blick kreuz und quer über den Globus, muss ich mich korrigieren. Was dieses Deutschland da an Demokratie zustande bringt, das ist eigentlich doch eine ganze Menge. Eventuell das heute real Mögliche und Machbare. So gesehen und im Vergleich ist das ganz schön viel. Ich kann ganz gut das Alltags-Gerempel beiseite lassen. Aber natürlich kommt noch das große ABER.

Es gäbe schon noch Möglichkeiten, die meinen, durchaus auch utopischen, Demokratiebegriff nähren könnten. Da wäre die Möglichkeit von Volksentscheiden zu Themen, die allen am Herzen oder auch im Magen liegen. Und da wäre das Grundeinkommen für jeden Bürger dieses Landes. Beides hat die Dimension von Freiheit, von Freiheit die dem (altgriechischen) Demos, dem Volk ein Mehr an Kreativität ermöglichen könnte. Ich bin überzeugt, dass schon in diesen Projekten ungeahnte Möglichkeiten stecken. Beides wäre heute schon machbar, nachgewiesenermaßen. Und könnte ein Nährboden für Visionäres sein, was mir so sehr fehlt in der großen Politik. Die verhaspelt sich ständig im alltäglichen Kleinklein und verliert dabei den Weg aus dem Blick. Und so etwas wie das verlockende Licht am Ende eines schönen frühlingshaften Waldweges. Auch da weiß ich nicht, ob es nur ein Verwirrspiel oder eine segensvolle gleißende Lichtung ist…

Unpolitisch

Im tiefsten Inneren bin ich unpoltisch. Habe ich wahrscheinlich schon mal geschrieben. In ruhigen Zeiten lässt es sich damit leben. Aber wir haben keine ruhigen Zeiten. Wenn ich anfange nachzudenken, stecke ich stets und ständig im abgründigsten Schlamassel. Und versuche mich zu sortieren.

Erstens: Bin ich zutiefst dankbar, dass es Menschen gibt, die Politik machen wollen, können, die es versuchen. Der Satz ist Eins zu Eins gemeint. Nicht ironisch, nicht zynisch.

Zweitens: Wir brauchen (noch?) ein Regulativ, das das Zusammenleben großer Menschengruppen ermöglicht. Sonst hätten wir wie einst Stammeskriege in kleinsten und größten Gruppierungen auf der Alltagsliste. Köpfe einschlagen mag ich überhaupt nicht. Verbal schon eher, das könnte in Grenzen produktiv sein, wenn eine Kultur dahintersteht, die das Erlösende ermöglicht.

Drittens: Bilden wir uns nicht zu viel auf unsere Kultur- und Menschlichkeits-Fähigkeit ein? Ich glaube, wir sind immer noch „blutige“ Anfänger. Das sich einzugestehen könnte hilfreich sein. Auch Politiker sind, so gesehen, ziemlich normale Menschen. Leider wird zu oft Übermenschliches von ihnen verlangt.

Viertens: Ich ertrage das Parteiengerangel schon lange nicht mehr. Sollten nicht immer wieder Menschen mit unterschiedlichen Kompetenzen und Fähigkeiten zusammenfinden, um die augenblicklich beste Lösung für ein Problem zu finden?

Fünftens: Ich wünsche mir zutiefst Weitblick, Kreativität samt einem zurück gestellten Ego, um die Gegenwart zu gestalten, so daß die Zukunft erkennbar wird. Viele Begriffe, auch Demokratie, sind für mich inzwischen zur Worthülse verkommen – …wenn sie das nicht schon immer war. Alle müssen mitreden dürfen, wenn sie können. Wenn das nicht konstruktiv geschieht, sollte es einfach im Raum stehen bleiben dürfen. Nicht mehr und nicht weniger.

Sechstens: Ernsthaft, ich wünsche mir einen weisen König, einen Weisen, der all das mit Draufsicht ein wenig hält und stets lebendig ein wenig korrigiert, erkannte und unerkannte Knoten löst.

*Die Gender-Schreibe ist mir zu umständlich. Also: Ein weises Wesen, das dazu fähig ist.

Das tollste Fachwissen taugt nichts, wenn es nicht umfassend nach allen Richtungen vernetzt wird.

Wer bessere Ideen hat, schreibe mir……….Die gibt es bestimmt. Mir scheint alles gegenwärtig alles verfahren, hoffnunglos festgefahren.

So oder so oder wie … ? Anleihen bei den Alten (Alte Nationalgalerie Berlin)